Erde
„Erde“, von Inside Up Games und in der deutschen Version bei Skellig Games erschienen, ist ein Strategiespiel mit Elementen aus Enguine-Building und Ressourcen-Management für 1 bis 5 Spieler von Maxime Tardif.
Auf der Erde hat sich ein einzigartiges Ökosystem entwickelt und es entwickelt sich immer weiter.
Wir versuchen nun selbst ein einzigartiges Ökosystem zu erschaffen…
Ein Blick in die Spieleschachtel
Zunächst einmal fällt der Blick auf das wundervolle Cover. Das ist eine der schönsten Illustrationen die ich kenne. Kleinere Abzüge gibt es dann für die Boards, die sich leider ein klein wenig biegen. Die Stämme und Kronen sind aus Holz und sehen wirklich erstklassig aus. Übereinandergestapelt ergeben sich hier dann allerdings recht wacklige Konstruktionen, die auch mal umfallen können. Der Rest des Materials ist wirklich toll und insbesondere die Illustrationen der Karten sind wunderschön.
Ich selbst besitze die Retail-Version. Es gab auch noch Kickstarter-Goodies. Hier waren die Blatt-Marker, die Erde-Marker und der aktive Spieler Marker aus Holz. Des Weiteren waren noch 25 Promo-Karten enthalten. Die Goodies sind momentan nicht mehr erhältlich. Ich persönlich finde diese Version vollkommen ausreichend.
Die Anleitung ist klasse geschrieben und alle Fragen werden beantwortet.
Das Spielsystem
Erde besticht mit einem sehr eingängigen Regelsystem und die Grundregeln sind innerhalb von 10 Minuten erklärt, so das zügig gestartet werden kann. Die unendlichen Möglichkeiten und die Tiefe erkennt man dann im Laufe der Partie.
Schauen wir uns ein paar grundlegende Spielmechaniken und die Regeln in einem kurzen Überblick gemeinsam an.
Werfen wir als erstes einen Blick auf die Karten, da diese das Hauptinstrument des Spiels ausmachen. Es gibt Flora-, Terrain-, Insel-, Klima, Ökosystem-, Fauna- und Ereigniskarten. Jeder Spieler hat zu Spielbeginn eine Insel-, eine Klima- und eine Ökosystem-Karte erhalten. Des Weiteren befinden sich noch 2 Ökosystem-Karten und 4 Fauna-Karten auf dem Fauna-Tableau, welches wir uns gleich gesondert anschauen. Diese Karten-Typen befinden sich nach Spielaufbau auch nicht mehr im Nachziehstapel der folglich nur aus Flora-, Terrain- und Ereignis-Karten besteht.
Werfen wir nun einen Blick auf die Symboliken der Karten. Nicht alle Symboliken finden wir auf allen Karten wieder. Links oben ist der Preis in Erde angegeben und direkt darunter erkennen wir die Grundsiegpunkte, die die entsprechende Karte uns bringt, wenn sie ausgespielt ist. Rechts oben finden wir die Habitat-Elemente, die für Wertungsziele genutzt werden und darunter den Kartennamen. Auf der Illustration finden wir ggfs. noch Platz für Wachstum und die Felder für Sprossen. Darunter befinden sich die Kartenfähigkeiten, die immer einer Farbe zugeordnet sind. Schwarze Fähigkeiten sind Effekte, die unmittelbar mit dem Ausspielen der Karte ausgelöst werden. Braune Fähigkeiten bieten zusätzliche Wertungsmöglichkeiten oder dauerhafte Vorteile. Die anderen Farben sind Fähigkeiten die ausgelöst werden, wenn die korrespondierende Aktion ausgewählt wird. Darunter befindet sich immer noch ein toller Text der zwar nicht spielentscheidend ist aber viel Liebe zum Detail zeigt.
Bis auf das Mischen der Karten geht der Aufbau sehr schnell. Zunächst solltet ihr euch einen Überblick über die Ziele verschaffen. Der erste Blick gilt hier dem Fauna-Tableau, welches für alle Spieler von Interesse ist. Hier werden zu Spielbeginn 4 Fauna-Karten platziert. Diese stellen euch jeweils eine Bedingung, die es zu erfüllen gilt. Wer die Bedingung als erster erfüllt darf seinen Marker auf die oberste Position legen und streicht die meisten Siegpunkte ein. Auch alle anderen Spieler können die Bedingung natürlich noch erfüllen. Rechts daneben befinden sich noch 2 Ökosystem-Karten, die uns ebenfalls noch Siegpunkte am Spielende für das Erreichen der entsprechenden Bedingungen geben. Eine individuelle Ökosystem-Karte hat noch jeder Spieler auf seinem Tableau.
Erstklassigf finde ich den Aktionsmechanismus. Der aktive Spieler wählt eine Aktion (es darf nicht die Aktion der letzten Runde sein) und schiebt den Marker dorthin. Die anderen Spieler sollten die gewählte Aktion mit ihrem Blatt-Marker ebenfalls markieren. Nun führt der aktive Spieler den oberen Part aus.
Lediglich 4 Aktionen stehen euch zur Verfügung. So könnt ihr mit der grünen Aktion Karten ausspielen und erhaltet eine neue Karte, mit der roten Aktion erhaltet ihr Erde und kompostiert Karten, durch die blaue Aktion erhaltet ihr Sprossen und Erde und Handkarten sowie Wachstum gibt es durch die gelbe Aktion.
Doch auch die nun nicht aktiven Spieler sind am Zug und führen die abgeschwächte Aktion aus, die unten angezeigt wird. Das ist klasse und sorgt dafür, dass alle Spieler immer gefordert sind und etwas machen könne. Nach Aktionsdurchführung aktivieren alle Spieler noch die farblich entsprechenden Fähigkeiten ihrer ausgespielten Karten. Beim Aktivieren der Fähigkeiten müsst ihr reihenweise von oben nach unten und in jeder Reihe von links nach rechts aktivieren. Behaltet dies immer im Kopf, weil es Einfluss auf die Bildung eures Rasters hat.
Da wären wir auch beim Ziel des Spiels – die Bildung eines eigenen Ökosystems. Euer System besteht aus 16 Karten, die in einem 4x4 Raster liegen. Eure erste Karten könnt ihr an einer beliebigen Stelle platzieren. Die nächsten Karten müssen immer angrenzend, auch diagonal gilt als angrenzend, an bereits liegende Karten gelegt werden. Das Spiel endet in der Runde, in der ein Spieler sein Raster vervollständigt hat. Die laufende Runde wird noch zu Ende gespielt und es erfolgt die Schlusswertung. Auf die Schlusswertung gehe ich im Fazit noch gesondert ein.
Die optimale Spieleranzahl
Konzipiert ist das Spiel für 1 bis 5 Personen. Auf den Solo-Modus gehe ich gleich gesondert ein.
Erde ist ein eher solitäres Spiel. Ja, ihr tretet in Konkurrenz um die Erfüllung der Fauna-Karten aber das war es dann auch schon. Im Prinzip seid ihr mit eurem Ökosystem beschäftigt. Für mich funktioniert das Spiel daher in jeder Besetzung gleich gut.
Die Spieldauer kann man schwer festlegen. Meine Partien mit 2 Personen nehmen immer so ca. 60 Minuten in Anspruch. Mit 4 Personen haben wir auch schon zweieinhalb Stunden benötigt. Natürlich kommt es auch immer darauf an, wie regelkundig die einzelnen Mitspieler sind. Downtime ist eher weniger eine Frage. Grund hierfür ist natürlich der tolle Aktionsmechanismus der dafür sorgt, dass eben jeder immer was zu tun hat. Das tut dem Spiel in diesem Bereich sehr gut, denn man kann schon Züge zerdenken, da es unendlich viele Möglichkeiten gibt Siegpunkte zu erhalten.
Der Solo-Modus ist erstklassig und ich kann das Spiel bedenkenlos auch reinen Solo-Spielern empfehlen. Es wird ein super einfacher Mechanismus verwendet der dafür sorgt, dass sich das Spiel unkompliziert spielen lässt, was bei Solo-Spielen insbesondere dann oftmals nicht der Fall ist wenn, wie hier, ein Automa-Deck verwendet wird.
Für das Solo-Spiel verwendet ihr die Solo-Seite auf dem Spieler-Tableau und entscheidet euch für einen Schwierigkeitsgrad. Ihr spielt gegen Gaia, die über ihr eigenes Board und ein eigenes, aus 6 Karten bestehendes, Deck verfügt, welches ihr zweimal durchspielt.
Seid ihr am Zug entscheidet ihr euch einfach für eine Aktion und führt diese regulär durch. In Abhängigkeit eurer Aktion erhält Gaia nun Karten, Sprossen, Erde oder Wachstum. Nutzt ihr, zum Beispiel, die grüne Aktion, so erhält Gaia die drei abgelegten Karten. Wichtig ist immer das ihr unterscheiden müsst, ob diese kompostiert oder auf ihren Wertungsstapel gelegt werden. Die Karten der grünen Aktion kommen nämlich auf den Wertungsstapel, was ihr bei eurer Kartenwahl natürlich beachten müsst.
Nun ist Gaia dann am Zug. Ihr deckt dazu die oberste Karte auf und anschließend nutzt ihr, falls vorhanden, die obere Fähigkeit. Gaia nutzt dann anschließend die untere Fähigkeit. So erhält sie dann Wachstum, Erde oder beansprucht die Fauna-Karte.
Das Spiel endet entweder nach zweimaligem Durchspielen von Gaias Deck oder nach Vervollständigung deines 4x4 Rasters.
Den Schwierigkeitsgrad würde ich auf einem mittleren Level sehen und wenn ihr mit den Regeln vertraut seid, nimmt eine Partie euch so ca. 40 Minuten in Anspruch.
Fazit
Erde überzeugt zunächst einmal mit sehr eingängigen Regeln und einer wunderschönen Tischpräsenz. Dazu ein Thema, welches aktuell sehr gefragt ist und durch welches es leichtfällt, Leute an den Spieltisch zu locken.
Trotz der recht einfachen Regeln ist Erde ein komplexes Spiel mit Tiefe. Ich würde dies auf jeden Fall im Kennerbereich einordnen. Am ehesten erinnert mich das Spiel an Flügelschlag. Erde ist allerdings komplexer. Eigentlich bildet ihr „ja nur“ ein 4x4 Raster durch Ausspielen eurer Handkarten. Doch so einfach ist das alles dann doch nicht, denn ihr müsst viele Faktoren berücksichtigen. Erde ist ein komplexer Enguine-Builder und ihr müsst schon genau überlegen welche Handkarten ihr denn wo ausspielen solltet, denn ihr möchtet ja Synergien erzeugen und möglichst viele Ziele erfüllen.
Am Ende war ich dann zunächst überrascht, denn ihr werdet mit Punkten fast überflutet. So gibt es, zum Beispiel, die kompletten Grundsiegpunkte aller eurer Karten, Punkte für Sprossen und Stämme, Punkte für die Erfüllung der Ziel-Karten oder eurer kompostierten Karten. Ohne Aufschreiben könnt ihr dem nicht Herr werden. Zum Glück liegt dem Spiel ein Wertungsblock bei. Manche mögen nun kritisieren, dass sich diese Punktefülle nicht belohnend anfüllt und auch ich gehöre, zumindest tendenziell, eher zu den Menschen, die weniger Punkte bevorzugen. Was erinnere ich mich noch an meine Partien Cooper Island, wo ich mich über 25 Punkte gefreut habe wie ein Schneekönig. Doch aus meiner Sicht ergeben hier die Vielzahl an punkten Sinn, da man eben an zahlreichen Dingen arbeitet.
Satte 360 und auch noch einzigartige Karten sorgen für ein immer anderes Spiel. Dazu kommen auch noch die endlos vielen Startkombinationen aufgrund der Faune- und Ökosystemkarten sowie der unterschiedlichen Inseln und Klimakarten. Die Kombinationsmöglichkeiten sind hier nahezu unendlich und der Wiederspielreiz ungemein hoch.
Ich habe mich beim Auspacken zunächst gewundert, dass nicht irgendein Referenzblatt mit Erklärungen zu Karten beiliegt. Tatsächlich braucht man dieses auch nicht. Das Spiel überzeugt mit einer sehr eingängigen Ikonografie und die Kartentexte sind super klar formuliert. Wenn man sich nicht alle Symboliken merken kann, so kann man super auf unten auf sein Tableau schauen, wo alles erklärt wird.
Einzig kleiner Wehrmutstropfen ist es dann aber, dass sehr viel vom Zufall abhängt, obwohl es sich um ein strategisches Spiel handelt. Es gibt keine offene Auslage, sondern es wird eben vom Stapel gezogen. Ob die gezogenen Karten dann passen, ist reines Glück. Meine Empfehlung ist es daher bei den Fähigkeiten immer drauf zu achten, dass man ausreichend Karten ziehen kann.
Ich bin von Erde wirklich begeistert und glaube, dass dieses Spiel gute Chancen auf einen Platz auf der Auswahlliste zum Kennerspiel des Jahres hat.
Ich kann mich diesem Eindruck zum Spiel Erde nur anschließen. Die geringe Interaktion zwischen den Spielern läßt sich nicht leugnen. Wer es interaktiver mag, sollte eher zu einem anderen Spiel greifen. Der Solomodus ist wirklich überragend und für mich sogar der Hauptgrund dafür, dass Erde in meiner Sammlung bleiben darf. Sobald mehr als zwei Personen am Tisch sitzen würde ich eher zu einem Enginebuilder wie Res Arcana greifen.
Wer allerdings seine Freude an dem Naturthema hat ist mit Erde oder Flügelschlag sicherlich besser beraten.